Ab September 2023 bietet der Zertifikatskurs Ausstellungsdesign am UdK Berlin Career College wieder eine einzigartige Möglichkeit zur Weiterbildung und Professionalisierung. Die Teilnehmenden erwartet ein aktuelles, praxisorientiertes und inhaltlich breit gefächertes Programm – in Zusammenarbeit mit Ausstellungsinstitutionen, Universitäten und im Ausstellungskontext tätigen Unternehmen. Neben den Modulen Gestaltung, Medien und Digitalisierung liegt erstmals ein besonderer Fokus auf dem Thema Nachhaltigkeit. Dazu findet unter anderem ein Thementag mit Partner*innen aus Österreich im Österreichischen Kulturforum Berlin statt.
Wie können Museen und andere Kulturinstitutionen zukunftsfähig werden? Und welche Rolle spielt hier der Austausch über Ländergrenzen hinweg? Im Expertinnen-Interview geben Katrin Bucher-Trantow (Chefkuratorin und stellvertretende Direktorin, Kunsthaus Graz) und Stefanie Dowidat (Transformationsmanagerin für nachhaltige Kultur, Mühlheim/Ruhr) bereits vorab Einblicke in die nachhaltige Ausstellungspraxis. Beide zählen zum Dozent*innen-Team der Weiterbildung.
Den Wertewandel aktiv begleiten
Stefanie Dowidat berät als Transformationsmanagerin Museen und ist als Ausstellungsgestalterin am LWL-Museum für Archäologie und Kultur, Westfälisches Landesmuseum Herne tätig. Bereits als Jugendliche setzte sie sich für Umweltthemen ein. Aus dem Privaten ins Berufliche ist das Thema Nachhaltigkeit für sie spätestens seit der Fridays for Future-Bewegung „hinübergeschwappt“. Als Sprecherin im Deutschen Museumsbund fragte Stefanie Dowidat danach, wie Museen sich positionieren; 2020 wurde die Untergruppe „Nachhaltiges Ausstellen“ gegründet. Die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit im Ausstellungskontext versteht sie als grundlegenden Wertewandel.
Stefanie Dowidat: „Mein Credo ist: Transformation fängt mit der Haltung an. Es ist richtig und wichtig, darüber nachzudenken, was jede*r im Kleinen verändern und verbessern kann. Die Entwicklung hin zu nachhaltigem Handeln ist aber ein großer gesellschaftlicher Umbruch. Dieser Wertewandel muss aktiv begleitet werden.“
Kunsthistorikerin Katrin Bucher-Trantow ist Chefkuratorin und stellvertretende Direktorin im Kunsthaus Graz (AT). Das Ausstellungshaus ist seit 2021 auf dem Weg zum „Grünen Museum“. Ein vielversprechendes Label. Doch was bedeutet das?
Katrin Bucher-Trantow: „Um im Museum klimafreundlicher zu werden, müssen viele Bereiche mitziehen. Dementsprechend gibt es viel zu tun, um ein Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen. Für das Grüne Museum haben wir an vielen Stellen damit begonnen, Maßnahmen zur aktiven CO2-Reduktion zu ergreifen. Konkrete Beispiele sind die Wiederwendung von Aufbaumaterialien, unsere modularen Wandsysteme oder auch der Einsatz abbaubarer Reinigungsmittel.“
Die Künstler*innen, die im Haus ausstellen, spielen Katrin Bucher-Trantow zufolge eine zentrale Rolle bei der Sensibilisierung für das Thema Nachhaltigkeit: „Wie immer zeigt die Kunst, worum es geht, welche Anliegen die Gesellschaft hat, und diese gilt es als Institution dann auch ernst zu nehmen. Als Kunstorte heizen wir das Klima mitunter mit an. Da muss man sich immer wieder trauen, jede Handlung (selbst)kritisch zu befragen.“
Das heiße aber nicht, dass (alle) Kunst nun nur noch aus nachhaltigen und fairen Materialen bestehen müsse.
Katrin Bucher-Trantow: „Kunst ist ein Mittel der ästhetischen, poetischen oder metaphorischen Kommunikation und als solches kann sie sich unterschiedlichen Methoden bedienen. Dazu gehört zum Beispiel der Schock oder die Überzeichnung und diese kann auch durchaus einmal toxische Ausmaße haben – etwa im Material. Hier gilt es also, abzuwägen. Die künstlerische Qualität sollte für die Entscheidung maßgeblich sein.“
Für Stefanie Dowidat sind Ausstellungen Bildungs- und Diskursorte, die in Punkto Nachhaltigkeit auch einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen: „Unser größter Impact liegt darin, dass wir mit den verschiedensten Gruppen kommunizieren können. Wir können Menschen sensibilisieren, das Zielpublikum mitnehmen, eine Plattform bieten für Umweltaktivist*innen. Dabei sollten wir ganz ehrlich sein: Was funktioniert im eigenen Haus, was nicht? Nur so können wir auch den Nachwuchs abholen, der ja ein großes Interesse an Fragen der Nachhaltigkeit hat – im Publikum sowie in den Teams und in der Wissenschaft. Als Institutionen agieren wir nachhaltig, wenn wir uns gesellschaftsrelevanten Themen widmen.“
Inwiefern verändert eine verstärkte Sensibilität für Nachhaltigkeit also das Ausstellen als kulturelle Praxis?
Stefanie Dowidat: „Ich unterscheide hier mal das Inhaltlich-Programmatische von der Betriebsökologie. Ersteres ist das, was das Publikum wahrnimmt: die Themenauswahl, die Auswahl der Exponate, die Szenographie, die Vermittlungsarbeit. Hier kann ich Impulse setzen, zur Diskussion einladen. Eines der häufigsten Argumente, das mir begegnet, ist: Die Industrie oder die Politik müssten zuerst etwas tun. Das halte ich für ein Wegschieben von Verantwortung. Es geht im Ausstellungsbereich doch darum, die Ambiguität und Komplexität der ganzen Thematik aufzuzeigen und auszuhalten. Wir haben keine einfachen Antworten. Das gilt es darzustellen.“
Möglich sei nachhaltiges Handeln aber auch, wenn Ausstellungen inhaltlich gar nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Dann gehe es um das „Wie“ – die Betriebsökologie also. Stefanie Dowidat bezieht hierzu klar Stellung:„Nachhaltigkeit sollte gelebter Alltag werden. Dafür braucht es eine gute Zusammenarbeit in den Teams, aber auch zwischen den Häusern, um Lösungsansätze für ganz konkrete Probleme zu finden und miteinander zu teilen.“
Austausch über Ländergrenzen hinweg
Auf dem Programm des Zertifikatskurses Ausstellungsdesign steht in diesem Jahr auch ein Thementag „Nachhaltigkeit in Ausstellungsproduktionen“ im Österreichischen Kulturforum Berlin. Zu Gast sind Expertinnen der Universität für angewandte Kunst (Wien), der Swarovski Kristallwelten (Wattens, AT) sowie Katrin Bucher-Trantow vom Kunsthaus Graz. Der transnationale Austausch ermögliche es, gemeinsam sozial und kreativ nachhaltige Ideen zu entwickeln, sagt diese. Schließlich geht es um Themen, die uns als „mondiale“ Gemeinschaft alle etwas angehen. Herausforderungen nachhaltigen Agierens sieht sie sowohl in praktischer Hinsicht als auch auf der inhaltlichen Ebene.
Katrin Bucher-Trantow: „In der Wahl der Werke für Ausstellungen können wir ,mit dem Planeten‘ denken. Aufwändige Transporte sollten gut überlegt sein und auf ein Minimum gekürzt werden. Es gilt immer mehr zu überlegen, welche ökonomischen, sozialen und klimatechnischen Systeme man mit Programmentscheidungen und deren Umsetzung befeuert, stützt oder eben untergräbt. Ich bin gegen Flugscham oder allgemeine Klimatabus in der Kunst. Tabus haben noch nie geholfen. Dennoch denke ich, dass man überlegen sollte, was nachhaltiges und faires Handeln als Institution bedeutet. Nimmt man auch die lokalen Künstler*innen wahr? Wieso entscheidet man sich gegebenenfalls doch für internationale Transporte?“
Ganz praktisch könne Bucher zufolge etwa am „Klima“ in den Ausstellungshäusern geschraubt werden. Weltweit werden Temperatur und Luftfeuchtigkeit in den Ausstellungsräumen zumeist von den Leihgeber*innen und den Museen bzw. ihren Restaurator*innen vorgeschrieben. Im September 2022 hat der Deutsche Museumsbund eine Empfehlung herausgegeben, der für die Einrichtung von sogenannten Klimakorridoren plädiert.
Katrin Bucher-Trantow: „Hier gilt es, gemeinsam zu handeln und über vertretbare Temperaturschwankungen im Sinne des Werks und des Planeten zu sprechen. In den letzten Jahren hielten fast alle Häuser das ganze Jahr über die Temperatur auf 20 plus/minus 2 Grad mit einer Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent – weil das ideale Werte für die Konservierung sind. Das ist vor allem im Sommer bei Außentemperaturen von bis zu über 35 Grad einfach schlecht. Wenn wir hingegen Temperaturschwankungen von 21-25 Grad zulassen, können wir massive Energieeinsparungen verzeichnen und damit auch als Häuser der Bildung ,zurück in die Zukunft‘ planen: So können wir zum Beispiel lernen, wieder im Rhythmus der Jahreszeiten zu denken.“
In Deutschland fällt im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit mitunter der Begriff des ,Verzichts‘. Stefanie Dowidat hält von solchen Verzichtsdebatten nichts und plädiert stattdessen für die Freude an der Sinnhaftigkeit. Auch hier helfe der Blick ins Ausland.
Stefanie Dowidat: „Nachhaltiges Ausstellen bedeutet für mich klüger und bewusster zu agieren. Es geht um eine neue Art des Verbrauchs – nicht um Verzicht um des Verzichtes willen. Es kann durchaus sinnvoll sein, eine Ausstellung weniger pro Jahr zu machen und dafür die Laufzeit zu verlängern, wenn die Szenographie sehr aufwendig ist und danach alles weggeschmissen wird. Im Idealfall finden wir Systeme, die wiederverwendet werden können, ohne dass es langweilig wird. In den Museen gibt es eine große Problemorientiertheit und Verzicht ist immer negativ konnotiert. Wo bleibt da die Freude an Verbesserungen? In England nimmt der Arts Council die Museen schon seit 10 Jahren mit auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit. In Befragungen zeigt sich nun: Nachhaltigkeit hat die Teammoral verbessert und die Mitarbeitenden haben das Gefühl, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Das erzeugt positive Energie.“
Ausstellungsdesign – Gestaltung | Medien | Digitalisierung | Nachhaltigkeit
Zertifikatskurs zur professionellen Gestaltung von Ausstellungen im interdisziplinären Arbeitsfeld der Ausstellungsproduktion
Konzept und inhaltliche Leitung: Barbara Mei Chun Müller, Geschäftsführerin der Agentur Career Culture Berlin
Laufzeit: 7. September – 25. November 2023
Modul 1: Ausstellungsgestaltung (7. – 9. September 2023)
Modul 2: Ausstellungsmedien (28. – 30. September 2023)
Modul 3: Digitalisierung (19. – 21. Oktober 2023)
Modul 4: Nachhaltigkeit (23. – 25. November 2023)
Anmeldeschluss: 10. August 2023
Tel.: 030 – 3185-2239, E-Mail: weiterbildung@udk-berlin.de
Weitere Informationen unter www.udk-berlin.de/ziw/ausstellungsdesign
Interessierte haben die Möglichkeit, im Rahmen des Rundgangs der UdK Berlin an Beratungsgesprächen zum Kurs mit der Kursleiterin Barbara Mei Chun Müller teilzunehmen:
Samstag, 22 Juli 2023
» 12–13 Uhr online
» 14–16 Uhr in der Bundesallee 1-12, 10719 Berlin, Raum 343
Darüber hinaus finden Beratungen nach Vereinbarung statt. Anmeldung per E-Mail an weitebildung@udk-berlin.de.